Rucksacklauf durch den Hochschwarzwald (2022)
Prolog
Januar, Mittwochabend, saukalt, auf dem Rothenthurmer Moor: Luki erzählt euphorisch von einem kleinen Lauf im Schwarzwald: Familiäre Atmosphäre, Loipen durch hüglige Wälder und vorbei an märchenhaften Höfen und Dörfern. Start irgendwo auf einem Feld, Ziel bei einem abgelegenen Gasthof. Als Belohnung gibts einen Handschlag und einen Becher Schnaps. Sven und Luki haben den schon mal gemacht als Hauptprobe für den Nordenskiöldsloppet im 2019. Viel hat es nicht gebraucht um mich zu überzeugen, welchen anderen Lauf gibt es schon, der Abenteuer und Fahrspass über 100 km bietet und in unter zwei Stunden von Zürich erreichbar ist.
Ein paar Tage vor dem Lauf wird klar, es liegt gerade genug Schnee um den Lauf auf der Originalstrecke abzuhalten! Der Whats App-Chat beginnt heiss zu laufen: Was packt man genau in den Rucksack um auf 4 kg zu kommen? Gibts überhaupt Essenstände? Wie viel Essen, Trinken, Wachs etc. soll dabei sein? Wieso gibt es keinen anständigen Langlaufladen in Zürich? Die letzten Klisterresten werden zusammengekratzt und es reicht gerade so für zwei Paar Ski.
Lauf
Wir übernachten in unserem Doppelstock-Wachsbus direkt in Schonach beim Schulhaus, 100 Meter von der Startlinie. Es hat einige andere Camper hier, den norwegischen Wachsbus sehen wir allerdings nicht. Morgens vor dem Zmorgä und dem grossen Ansturm rasch die Startnummer holen, als Andenken gibts noch eine Wachsbürste von einem lokalen Bürstenmacher. Danach Rucksack wägen (die obligatorischen 4 kg überschiesse ich locker...), irgendwo auf dem Feld einstehen. Langsam kommt die Dämmerung, der Bürgermeister hält noch kurz eine Rede, dann fällt der Startschuss.
Zu Beginn gehts gleich auf einen Hügel hoch, meine Skier halten bombensicher, so macht langlaufen Spass. Die Loipe ist pickelhart, teilweise etwas eisig, die Abfahrten sind abenteuerlich und sauschnell mit vielen Richtungswechseln. Luki schiesst in einer Abfahrt an mir vorbei während ich versuche mich auf den Beinen zu halten. Die Loipe schlängelt sich kupiert durch die Hügel, immer wieder an einem verträumten Bauernhof vorbei.
Mein Klister leidet unter den harten Bedingungen, nach jeder Abfahrt muss ich noch etwas sauberer laufen um das Letzte aus meinen Klisterresten zu kitzeln. Essensstationen hat es keine einzige (!), Trinkstationen hat es zwei bis Hinterzarten bei km 60. Ich hatte das erste Mal einen Trinkschlauch dabei, in der ersten Abfahrt wollte ich einen Schluck nehmen, doch da war er bereits zugefroren. Jaja, kaltes Wasser und Ventil nicht ausblasen ist halt nicht so optimal. Nach etwa 20 km fällt mir der Stockteller ab und ich merke es erst zu spät. Zum Glück laufen wir ja mit Rucksack und ich habe einen Ersatzteller dabei. Nach 2-3 Stunden bekomme ich richtig Durst, der Gedanke an eine Rast in Hinterzarten treibt mich aber vorwärts. Die Landschaft und die Loipen sind vom Feinsten, die Leute super freundlich. In Hinterzarten enteise ich den Trinkschlauch, fülle die Trinkblase mit warmem, süssen Tee und mache mal gemütlich Pause bei der Zieleinfahrt der 60 km Etappe.
Zwischendurch gibts immer wieder Spezialapplaus für einen Bürgermeister, einen Feuerwehrchef oder eine Läuferin eines lokalen Skiklubs, welche gerade ins Ziel der kurzen Strecke gekommen ist.
Zwischen der Cervelat-Prominenz des Schwarzwalds taucht auf einmal eine Palmenprominenz auf: Luki fährt in Hinterzarten ein. Eine Riesenfreude! „plus on est de fous, plus on rigole", deshalb beschliessen wir nach einem kurzen Nachwachsen zusammen weiterzulaufen. Die restlichen 40 km starten mit dem Aufstieg zum Feldberg, danach gefühlt nur noch bergab (fast...). Er entscheidet sich für Blau Extra, ich für Klister. Klister hält wie immer super, doch mit den zurückgelegten Höhenmetern kommen wir auch langsam zum frischen Schnee und ich muss nochmals umwachsen. Der Aufstieg danach ist lang aber abwechslungsreich: schöne Steigungen auf Forststrassen, dann etwa 10 Minuten die Skier tragen, am Ende im baumfreien Gebiet bis zu oberst auf den Feldberg mit Panorama bis in die Schweiz. Danach folgen Abfahrten auf Forstwegen und über Wiesen, 180 Grad-Kurven aus dem Nichts und unzählige Gegenanstiege. Luki hat nach dem Einlaufen über die ersten 80 km plötzlich übermenschliche Kräfte und attackiert jeden Aufstieg als wäre er Hellner im Sprintfinale 2011 am Gratishaugen am Holmenkollen. Ich versuche mich an die Fersen zu heften und jage mit ihm durch die Wälder. Irgendwann sehen wir unter uns das Gasthaus Multen beim Belchen, noch eine letzte technische Abfahrt, Luki schwingt freundlicherweise kurz vor der Ziellinie ab und wir überqueren gemeinsam die Ziellinie.
Hart aber schön wars. Als Recoverydrink gibt es gleich mal einen Becher Schnaps (Schade kamen wir nicht aufs Stockerl, da hätte es ein Sixpack Rothaus Tannenzäpfle Bier gegeben). Der Speaker ist von unserem Dress angetan und innoffiziell werden wir zu den bestangezogensten Läufern gekürt!
Kurz: sehr zu empfehlen! Einer der schönsten Läufe den es gibt.
Infos
Der Hauptlauf geht über 100 km und 2500 Höhenmetern, daneben gibt es noch die Kurzvariante bis nach Hinterzarten, da sind es dann 60 km.
Essen selber mitbringen, Trinken am Besten auch (die meisten haben Helfer entlang der Strecke positioniert)
Es gibt verschiedene Busse, wir nahmen den vom Ziel zurück zum Start in Schonach. Anreise mit ÖV ginge auch.
Die Loipe war relativ eisig und teilweise hatte es knapp mit Schnee. Die ganz guten Skis blieben daheim.
Links
https://www.fernskiwanderweg.de/rucksacklauf/
https://www.schwarzwald-outdoor.de/rucksacklauf/
Bericht auf https://www.xc-ski.de/
Wachsbingo
Freitagmorgen Regen/Schnee in Schonach.
Prognose für Samstag: kein Niederschlag und zwischen -4 und +3 Grad,
Was funktioniert hat: Grundklister, dann Violett drauf, oben drauf noch Blau extra. Abdecken war wichtig auf den höheren Hügeln. Wie man auf dieser Strecke wächst oder fährt damit man auch am letzen Stutz ohne Nachwachsen Grip hat, ist mir allerdings unklar. Die Abfahrten waren viel zu steil und technisch um alles auf Zug zu fahren.